Die Lienzer Kosakentragödie

Die Lienzer Kosakentragödie vom 1. Juni 1945

Auslieferung der Kosaken

Die tragischen Ereignisse im Mai/Juni 1945 in Osttirol waren der finale Akt in der Geschichte des Freiheitskampfes der Kosaken im 20. Jahrhundert, der für sie 1917 begann.

Als die Kommunisten (Bolschewiki) in Russland die Macht ergriffen, erklärten sie die Kosaken als für die Revolution gefährlich, zu einem „konterrevolutionären“ Volk. Im Jahre 1919 erörterten sie in Geheimdokumenten die Frage der physischen Vernichtung aller Kosaken, zumindest der meisten. Entsprechend den Anweisungen Moskaus überrollte 1919 eine Welle des „Roten Terrors“ die Kosakengebiete. Aufgrund des erbitterten Widerstandes der Kosaken konnten die Bolschewiki ihre Vernichtungspläne nicht umsetzen. 1920 wurden die Kosaken an der Front besiegt, ihre Gebiete von der Roten Armee eingenommen.

Die sowjetischen Behörden gaben ihre Pläne zur Vernichtung der Kosaken nicht auf. Um keine Kosakenaufstände zu provozieren, begannen sie allmählich und schrittweise vorzugehen. In den 1920er Jahren wandten die Behörden in den Kosakengebieten vor allem wirtschaftliche Methoden an, um Druck auf die Kosakenbevölkerung auszuüben: ständige Erhöhung der Steuern und Zwangskredite (beiNichtzahlung kam eine Person ins Gefängnis oder Lager im Ural bzw. Sibirien); Beschlagnahme von Arbeitsgeräten und eigenen Häusern; Entzug des Rechts in staatlich kontrollierten Geschäften einzukaufen (der private Handel war verboten); Einschränkung des Rechts auf Bildung.

All das genügte den sowjetischen Behörden nicht. Zu Beginn der 1930er Jahre begann eine erneute Attacke auf die Kosaken. Massenverhaftungen setzten ein, große Gruppen der Kosakenbevölkerung wurden gewaltsam aus ihren Dörfern vertrieben und entweder in Lager oder in spezielle Siedlungen Tausende von Kilometern von ihren Häusern entfernt verbracht, wo sie unter Aufsicht bewaffneter Wachen leben und arbeiten mussten. Familienmitglieder wurden oft getrennt und landeten in verschiedenen Regionen der UdSSR.

Einher ging die Umsiedlung von Menschen in das Kosakenland aus anderen Regionen Russlands, die von den Behörden als `zuverlässig` angesehen wurden. Der Plan der Bolschewiki bestand darin, den Anteil der Kosakenbevölkerung in den Kosakengebieten entscheidend zu dezimieren. Die schrecklichste Seite dieses behördlich veranlassten und ausgeführten Plans war die Hungersnot („Holodomor“), die Anfang der 1930er Jahre die Flüsse Don, Kuban und Terek heimsuchte. Die Bevölkerung ganzer Kosakendörfer (vor allem am Kuban) starb einfach aus. In Ermangelung von Lebensmitteln und Waffen wurden die Kosakenaufstände dieser Zeit schnell niedergeschlagen, die überlebenden Kosaken aller Besitztümer beraubt und in Kollektivwirtschaften (Kolchosen) getrieben. Das verlassene Land der Kosaken wurde von Siedlern besetzt. Diese Aktionen der sowjetischen Behörden sind als ethnische Säuberung zu bewerten.

Jedoch, auch dieser Versuch, die Kosaken vollständig zu vernichten, gelang nicht. In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre waren die sowjetischen Behörden gezwungen, den Feldzug einzustellen, bzw. beschlossen sie, bedingt durch das Herannahen des neuen Weltkrieges, die Kosaken als Kanonenfutteran den Fronten des zukünftigen Krieges zu verschleißen. Bis zu Beginn des sowjetisch-deutschen Krieges, dienten die Kosaken auf der einen Seite in der Roten Armee, auf der anderen Seite gab es Verhaftungen und Erschießungen für alles was auch nur den geringsten Argwohn erregte.

Die deutsche Wehrmacht kam im Sommer 1942 an die Flüsse Don, Kuban und Terek und hielt sich dort relativ kurz – bis Anfang 1943 auf. Als die Wehrmacht sich zurückzuziehen begann, stellte sich heraus, dass eine sehr große Zahl von Kosakenfamilien nicht wieder unter die Herrschaft der Kommunisten geraten und schließlich unter ihrer Herrschaft sterben wollte. Es begann der Auszug aus dem Kosakenland. Im Januar/Februar 1943 zogen Tausende Kosaken, gemeinsam mit Kalmücken und Nordkaukasiern mit den sich zurückziehenden deutschen Truppen ab. Der Weg der Flüchtlinge in den Westen fand in einem harten Winter unter ständigem Beschuss und Bombardements von sowjetischer Seite statt. Die Menschen stapften durch den Schnee, rutschten auf dem Eis des zugefrorenen Asowschen Meeres, viele starben unter dem Beschuss. Eine Umkehr war ausgeschlossen – denn es war ihre einzige Chance, sich vom verhassten kommunistischen Regime zu befreien.

Als die Flüchtlinge das Territorium der Ukraine erreichten, schufen sie das „Kosakenlager“ – welches aus zivilen Flüchtlingen und bewaffneten Kosakenabteilungen bestand, die aus ihnen selbst gebildet wurden und Frauen, Alte und Kinder bewachten und beschützten.

Nach dem Verbleib in der Ukraine kam das „Kosakenlager“ im Frühjahr 1944 nach Weißrussland, wo es häufigen Angriffen roter Partisanen ausgesetzt war. Im Sommer 1944 wurde es von der deutschen Regierung in eine provisorische Unterkunft nach Norditalien verlegt. Hier erlebten die Kosaken das Ende des Krieges. Unter Anschlägen kommunistischer italienischer Partisanen machten sie sich zurÜberquerung der Alpen auf, gelangten nach Österreich, wo sie in der Nähe der Stadt Lienz auf britische Truppen trafen und sich ihnen ergaben.

Die Kosaken und ihre Kommandierenden konnten nicht davon ausgehen, dass die britischen Behörden Geheimverträge mit Moskau hatten, nach denen sie zur Verhandlungsmasse im internationalen politischen Handel wurden und keine zivilen Flüchtlinge oder britische Kriegsgefangene waren. Stalin wollte die Kosaken, die sich ihm entzogen hatten zurückhaben um mit ihnen abzurechnen, die britischen Behörden hingegen wollten Stalin auf dem Balkan Zugeständnisse abringen.

Am 1. Juni 1945 befanden sich in Lienz etwa 25.000 Menschen im Kosakenlager. Es begann der finaleAkt der Kosakentragödie­ – die gewaltsame Auslieferung der Kosaken und ihrer Familien an die UdSSR. Die britischen Soldaten gingen auf grausamste Weise gegen die widerständigen Kosaken vor. Sogar Panzer kamen zum Einsatz um unbewaffnete Menschen zu vernichten. Etliche Kosaken wurden getötet; andere begingen Selbstmord, um nicht in die Hände sowjetischer Henker zu fallen; weitere Fliehendeertranken in der Drau.

Etwa 22.500 Kosaken wurden aus Lienz in die UdSSR verbracht, mindestens Tausend starben bei der gewaltsamen Auslieferung, der Rest floh, aber sie wurden weiter gesucht – und etwa 1.500 Kosaken wurden bald gefasst (nur wenigen gelang die Flucht in die Berge). In der UdSSR warteten Hinrichtungen und Gefängnisse auf sie.

So endete 1945 in Österreich der letzte Feldzug der Kosaken in ihrem Freiheits- und Lebenskampf. Die Pläne für den Völkermord an den Kosaken, die die Bolschewiki 1919 formuliert hatten, wurden weitgehend verwirklicht. Die auf sowjetischem Territorium verbliebenen Kosaken versuchten, um zu überleben, ihre kosakische Herkunft zu verbergen.

Die Sowjetregierung und mit noch größerem Eifer danach, die russische Regierung unserer Zeit, arbeitete mit der Methode der kulturellen Aneignung um die Spuren der Vernichtung des Kosakenvolkes zu verwischen, indem sie Menschen, die nichts mit ihnen gemein haben, als Kosaken auszugeben. Die Aufgabe des Vereins zur Erinnerung an die Kosakentragödie besteht zeitgenössisch nicht nur darin, die Erinnerung an die gewaltsame Auslieferung vom 1. Juni 1945 in Lienz zu bewahren, sondern auch um zu verhindern, dass die wahre Geschichte der Kosaken als freiheitsliebendes Volk durch die Geschichte der militärischen Pseudo-Kosakenformationen sowohl der Stalin-Ära als auch der Neuzeit ersetzt wird.

Weiterführende Literatur

Nikolai Tolstoy, Die Verratenen von Jalta
Josef Mackiewicz, Die Tragödie an der Drau
Wolfgang Schwarz, Kosaken
Erich Kern, General von Pannwitz und seine Kosaken
Diego Franzolini, Kazacija Zemlja
Jürgen Thorwald, Wen sie verderben wollen

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